Wort der Schweizer Bischöfe

Migranten und Flüchtlinge aufnehmen, beschützen, fördern und integrieren

Sonntag der Völker – 11. November 2018

Liebe Brüder und Schwestern

Papst Franziskus ist eindeutig an seinem Schreibstil zu erkennen. Er hat uns an einige starke Wörter gewöhnt, die seinem Denken entspringen. Nicht selten verwendet er Verben. In der grammatikalischen Struktur vieler Sprachen wird das Verb heute als Motor des Satzes bezeichnet. Ein Motor mit seiner Antriebskraft, seiner Dynamik. Ein in seiner Technik und Komplexität immer leistungsfähigerer Motor, der eine schnellere und einfachere Fortbewegung ermöglicht. Um uns dabei zu unterstützen, auf die Flüchtlinge zuzugehen, stellt die Reflexion des Papstes dieses Jahr anlässlich des ihnen gewidmeten Tages vier Verben ins Zentrum. Vier Verben, vier Motoren, die uns schnell und weit vorantreiben, Menschen in einer brüderlichen Gesinnung zu begegnen. Sie selber sind auch von so weit gekommen! Manchmal auf einem einfachen, seeuntüchtigen Boot mit völlig verrottetem Motor! oft im Marschtempo, weil sie Hunderte, ja Tausende von Kilometern zurückgelegt haben, mit der Hoffnung als einzigem Gepäckstück, einen gast-freundlicheren Boden zu betreten, da derjenige, der sie hat aufwachsen sehen, unbewohnbar geworden ist. Politische Konflikte haben zu solchen menschlichen Umwälzungen geführt, dass ihr Heimatland ein „dürres, lechzendes Land ohne Wasser“ geworden ist (Ps. 62). Also verlassen sie es. Sie gehen weg. Sie irren umher, dem guten Willen oder den bösen Absichten Anderer ausgeliefert.

Nichts ersetzt das eigene Lesen der Botschaft des Papstes. Man muss sie lesen und versuchen, sie um-zusetzen, sie zu leben. Jedoch, sozusagen als „erste Aufwärmrunde“, damit wir uns besser auf die Stärke dieser Botschaft einstellen können, starte ich nacheinander die vier Motoren und halte einen oder zwei Sätze für jeden von ihnen fest.

Aufnehmen: Nachdem die Botschaft an die biblische Grundlage der Aufnahme von Immigranten und die evangelische Zentralität der menschlichen Person appelliert, betrachtet sie die gegenwärtige Situation und hält fest: „Aufnehmen bedeutet vor allem, für Migranten und Flüchtlingen die Möglichkeiten einer sicheren und legalen Einreise in die Zielländer auszuweiten“. „Kollektive und willkürliche Ausweisungen von Migranten und Flüchtlingen sind keine angemessene Lösung, insbesondere, wenn sie Menschen in Länder zurückweist, in denen die Achtung der Würde und der Grundrechte nicht gewährleisten ist.

Beschützen: Dieser Begriff beinhaltet eine Vielzahl von Aspekten. Erinnern wir uns an den starken und heraus-fordernden Punkt: Die Menschen haben das Recht auf Schutz im Herkunftsland, und dieser Schutz „sollte sich im Einwanderungsland so weit wie möglich fortsetzen, indem Migranten eine angemessene Unterstützung durch einen Berater, das Recht, persönliche Ausweispapiere immer auf sich zu tragen, ein fairer Zugang zur Justiz, die Möglichkeit, persönliche Bank-konten zu eröffnen und die Garantie eines Existenzminimums gewährleistet wird

Fördern: Die Botschaft erinnert uns zunächst daran, dass das „Zusammenleben“ ein Gut für alle ist und dass jeder Mensch das Recht hat, sich in den Randbedingungen der menschlichen Natur verwirklichen zu können. „Da die menschliche Arbeit naturgemäss dazu bestimmt ist, Völker zu vereinen, unterstütze ich alle Bestrebungen, die die sozio-professionelle Integration von Migranten und Flüchtlingen fördern, und allen, – auch Asylbewerbern – die Möglichkeit zu arbeiten, die Sprache zu erlernen, die Staatsbürgerschaft aktiv auszuüben sowie angemessene Informationen in ihren Herkunfts-sprachen zu garantieren.“

Integrieren: Der Integrationsansatz sollte die Chance zur interkulturellen Bereicherung sein. Das ist der Grund, warum „der Kontakt mit dem Anderen eher dazu führt, sein *Geheimnis* zu entdecken, sich ihm zu öffnen, um seine wertvollen Ansichten zu erfahren und so zu einem besseren gegen-seitigen Kennenlernen beizutragen.“ „Ich betone erneut die Notwendigkeit, in allen Fällen die Kultur der Begegnung durch die Entwicklung von Programmen, die die lokalen Gemeinschaften auf die Integrationsprozesse vorbereiten, zu fördern.

Zum Schluss seiner Botschaft freut sich Papst Franziskus über das Engagement der führenden Weltpolitiker. Tatsächlich haben die Staaten beschlossen, bis Ende 2018 zwei Abkommen auszuarbeiten, betreffend der Flüchtlinge einerseits und der Migranten andererseits.

Um diese vier Verben herum, die so viele Wege eröffnen, sind wir eingeladen, die Botschaft des Papstes [1] zu teilen – sie im Gebet weiterzutragen, damit diese Vereinbarungen zum besseren Leben der Flüchtlinge und Migranten beitragen.

Die Lektüre der Botschaft leite uns in unserem Handeln, damit „gemäss dem grössten Gebot Gottes wir alle lernen, den Anderen, den Fremden zu lieben wie uns selbst.

✠ Jean-Marie Lovey crb

Bischof von Sitten

[1] http://w2.vatican.va/content/francesco/fr/messages/migration/documents/papa-francesco_20170815_world-migrants-day-2018.html

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