10 Thesen zur Zukunft der Organisation und Finanzierung der Migrantenseelsorge in der Schweiz
1 Migrantenseelsorge als Daueraufgabe
Internationale Mobilität, Migration und kulturelle Vielfalt werden die Schweiz auf unabsehbare Zeit prägen. Migrantenseelsorge ist folglich keine «vorübergehende» sondern eine dauernde Aufgabe der katholischen Kirche in der Schweiz.
2 Interkulturelle Seelsorge
Weil diese Seelsorge nicht nur «Migranten/ Migrantinnen» gilt und auch nicht nur aus Gründen der «Anderssprachigkeit» erforderlich ist, wäre vielleicht besser von «interkultureller Seelsorge» zu sprechen. Dieser Begriff weist auch auf das «Miteinander» der kulturell unterschiedlich geprägten Kirchenmitglieder und die erforderliche «Interaktion» hin, die bezeugt, dass es in der Kirche «keine Ausländer/innen gibt»
3 Grosse zahlenmässige Bedeutung
Sowohl was die katholische Wohnbevölkerung als auch was die Zahl der Seelsorgenden betrifft, ist der Anteil von aus dem Ausland zugewanderten Menschen und deren Nachkommen hoch.
Nicht nur in den Missionen für Anderssprachige, sondern auch in der «einheimischen» Seelsorge ist die Zahl von Seelsorgenden aus dem Ausland erheblich.
- Ausländische kath. Wohnbevölkerung: 22%
- Ausländische Priester: 15%
4 Sehr ungleichmässige Verteilung
Die Katholiken und Katholikinnen mit Migrationshintergrund sind in der Schweiz sehr ungleichmässig verteilt.
Ausländeranteile (Beispiele)
- Genf: 42%
- Zürich: 29%
- Uri: 5%
5 Dezentrale Organisation
Neben den statistischen Unterschieden prägen auch andere Differenzen die Ausgangslage: Stadt – Land; Deutsch – Französisch; unterschiedliche Herkünfte der Migrantinnen und Migranten.
Eine dezentrale, den jeweiligen Gegebenheiten angepasste Organisation und Finanzierung kann viel besser auf die unterschiedlichen Bedürfnisse eingehen.
6 Nicht nur das Budget für die Migrantenseelsorge zählt
Was die katholische Kirche für ihre Mitglieder mit Migrationshintergrund für Mittel einsetzt, darf nicht nur an den Budgets für Migrantenseelsorge gemessen werden. Zu berücksichtigen sind auch alle Ressourcen, die für sämtliche Kirchenmitglieder zur Verfügung stehen: Kirchen und Pfarreizentren, Religionsunterricht und Katechese, diakonisches Engagement etc.
7 Von einer kritischen zu einer wertschätzenden Sicht
In den letzten Jahren haben sich etliche kantonalkirchliche Organisationen intensiv mit dem Thema Migrantenseelsorge befasst. Auslöser war oft Kritik an hohem Aufwand und «separatistischen Tendenzen» - Ergebnis war oft ein Zuwachs an Wertschätzung und auch an finanziellen Mitteln für die Migrantenseelsorge. Information und Bewusstseinsbildung sind entscheidend.
8 Probleme des Modells «Eine Mission pro Sprachgemeinschaft»
Je grösser die Zahl der Sprachgemeinschaften, je bunter die katholische Wohnbevölkerung, je weniger trennscharf die Grenze zwischen «Einheimischen» und «Migranten», desto problematischer ist das Konzept «Eine Mission pro Sprachgemeinschaft».
Es ist kostspielig, fördert «separatistisches» Denken und Leben und gegenseitige Unkenntnis. Statt des Kontaktes fördert es die gegenseitige Un-Kenntnis und die damit die Vor-Urteile übereinander.
9 Investitionen ins Miteinander
Die Errichtung von «Missionen» und die damit verbundene Schaffung von (Infra-)Strukturen schafft Beheimatung, aber zugleich Besitzansprüche. Die Migranten richten sich ein – die Einheimischen müssen sich im Kirchenalltag nicht mit den anderen befassen.
Will man das Miteinander fördern, muss auch in dieses investiert werden: Zeit, pastorale Phantasie, interkulturelle Kompetenz, Geld und strukturelle Energie. Es braucht im Budget ein Konto und in der Pastoral einen Schwerpunkt «interkulturelle Pastoral».
10 Strukturen anpassen reicht nicht
In der Organisation und Finanzierung der Geschäftsstelle und der gesamtschweizerischen Aufgaben von migratio wurden in den letzten Jahren wichtige Anpassungen vorgenommen: Verlagerung von Aufgaben in die Regionen, arbeitsrechtliche und lohnmässige Gleichstellung der Missionare und der einheimischen Seelsorgenden, Zusammenlegung Sekretariat SBK – Sekretariat migratio, Integration der gesamtschweizerischen Aufgaben ins Budget der RKZ.
Aber was in den Strukturen anders geworden ist, hat die Herzen und die gedanklichen Konzepte noch nicht genügend erreicht.
Vision: Migratio als «Anwältin» für interkulturelle Pastoral
Für die Zukunft ist darauf hinzuarbeiten, dass migratio sich von der «Verteidigern» der Migrantenseelsorge und ihrer Budgets zur primär pastoralen «Anwältin» des Miteinanders der Katholiken und Katholikinnen über die Grenzen von Sprache, Nationalitäten und Kulturen hinweg entwickelt. Die Aufgabe der RKZ besteht darin, dafür gute Voraussetzungen zu schaffen.
Zürich, den 21. März 2012 Daniel Kosch